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Ernährungsmythos Superfoods: Was steckt dahinter?

Superfoods sind Lebensmittel, denen gegenüber "herkömmlichen" Zutaten besonders gesundheitsfördernde Eigenschaften zugesprochen werden. Doch wie lässt sich nachweisen, ob derartige Vorteile wirklich zum Tragen kommen? Handelt es sich nur um eine Marketingmasche oder ist was dran an den Behauptungen? Wie baut man Superfoods in die eigene Ernährung ein?

Mythos Superfood - Titel
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Health Claims in Lebensmitteln: Rechtliche Seite

Gesundheitsversprechen sind eine werbewirksame Botschaft, die den Kunden mit der Überzeugung ködert, er würde durch den Kauf bestimmter Waren etwas Gutes für seinen Körper und dessen Gesundheit tun. Vor Inkrafttreten der EG-Verordnung 1924/2006 gab es einen regelrechten Wildwuchs an derartigen „Health Claims“. Verbraucherschützer kritisierten diese Praxis schon lange und sahen in vielen Versprechen eine Täuschung der Verbraucher, da sich diese Behauptungen oft nur ungenügend mit wissenschaftlichen Studien belegen ließen. Gleichzeitig handelte es sich um eine aus gesundheitspolitischer Sicht zweifelhafte Methode, denn Kunden sollten Lebensmittel in erster Linie aus Motiven der Ernährung heraus auswählen und die Behandlung von gesundheitlichen Problemen professionell ausgebildeten Experten überlassen.

Eine in dieser Hinsicht besonders kritische Behauptung war die Fähigkeit, einen Beitrag zur Vorbeugung von Krebserkrankungen zu leisten, doch auch eine sogenannte „Stärkung des Immunsystems“ konnte als Claim oft beobachtet werden. Beide Felder sind hochkomplexe medizinische Fragestellungen, die durch die Auswahl bestimmter Lebensmittel sicher nicht in signifikantem Maße beeinflusst werden konnten.

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Heute wacht die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit über die Art und Formulierung der Gesundheitsversprechen, die mit wissenschaftlich nachvollziehbarer Beweislage vorgebracht werden dürfen. Das schützt Verbraucher vor der Irreführung durch Konzerne, die ihre Ware durch überzogene Versprechen aufwerten wollen. Derzeit sind etwa 250 Claims zugelassen.

So ist zum Beispiel zulässig, bei Zusatz von Vitamin C darauf hinzuweisen, dass der Stoff einen Beitrag zur normalen Funktion des Immunsystems leistet. Verbraucherschützer weisen aber darauf hin, dass die breite Bevölkerung bei den meisten beworbenen Stoffen keinen Mangel leide, sondern die Versorgung durch eine ausgewogene Ernährung abgedeckt wird.

Dennoch bieten die derzeitigen Vorschriften den Herstellern einen großen Spielraum, gesundheitsbezogene Behauptungen unterzubringen. Dabei bemängelt der Verbraucherschutz eine Alibi-Funktion zugesetzter Nährstoffe, um die Claims auch auf Lebensmitteln unterzubringen, für die an sich keine vorteilhafte Wirkung nachweisbar ist.

Ernährungswissenschaft ist hartes Brot

Der Wunsch, besonders hochwertige und gesunde Lebensmittel zu konsumieren, ist in der Bevölkerung tief verankert. Schon von klein auf lernen wir, dass es einen Zusammenhang zwischen unserer Ernährung und der körperlichen Gesundheit gibt. Doch dabei bleibt bei manchen Menschen eine verzerrte Vorstellung hängen: Wenn ich nur genug eines gesunden Lebensmittels esse, dann bin ich gesund, egal, was ich sonst zu mir nehme. Das stimmt natürlich nicht, lässt sich aber hervorragend zur Bewerbung von Produkten heranziehen.

Die Lebensmittelindustrie ist eine riesige Branche mit gewaltigen Umsätzen und härtester Konkurrenz. Man kämpft um jeden Vorteil gegenüber den Mitbewerbern und nutzt dabei Werbetricks aller Art aus. Die oben angesprochenen Health Claims sind dabei ein wichtiger Faktor. Doch wie werden ernährungswissenschaftliche Studien erstellt und wie leicht lassen sich Experimente aus dem Labor auf die Bevölkerung übertragen? Wissenschaftliche Standards zur Publikation neuer Erkenntnisse sind sehr hoch und dennoch lassen sich zu praktisch jeder Behauptung auch Studien finden, die das genaue Gegenteil zu vertreten scheinen.

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Wissenschaft ist kein Vehikel zur Verbreitung von Meinungen. Stattdessen ist die wissenschaftliche Methode die beste bekannte Technik, um Erkenntnisse zu generieren und mit diesen kritisch zu arbeiten. Gerade der Umstand, dass eine publizierte Studie nicht als unverrückbare Wahrheit feststeht, sondern immer aufs Neue begutachtet, in Experimenten überprüft und gegebenenfalls auch widerlegt werden kann, macht diese Methode so mächtig. Ernährungsfragen sind hier keine Ausnahme. Das bedeutet nicht, dass eine Studie falsch und die andere richtig ist, sondern dass noch kein einheitlicher Konsens gefunden werden konnte.

Komplexität der Ernährung: Schwierig für Wissenschaftler, positiv für den Menschen


Wir ernähren uns alle unterschiedlich, haben persönliche Vorlieben, einen eigenen Geschmack und dennoch gelten einige Grundprinzipien, was unser Körper an Nährstoffen und Energiezufuhr benötigt. Der Umstand, dass Menschen verschiedene Nahrungsmittel bevorzugen, hängt auch damit zusammen, dass jeder genetisch und durch Umwelteinflüsse wie z. B. die Zusammensetzung der Darmflora auf andere Weise fähig ist, die Inhaltsstoffe der Nahrung zu nutzen. Deswegen benötigen Ernährungsstudien große Probandenzahlen, um dann über statistische Untersuchungen signifikante Aussagen treffen zu können.

Signifikanz bedeutet, dass ein beobachteter Effekt nicht durch zufällige statistische Schwankungen erklärt werden kann. Er kann dann einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nach (meist 95 %) in Zusammenhang zur untersuchten Fragestellung gebracht werden. Diese 5 % Unsicherheit klingt nach sehr wenig, doch erhöht man die Zahl der Studien und untersuchter Werte, kann schnell die Vertrauenswürdigkeit schwanken: 5 % Unsicherheit bedeuten auch, dass man in einem von 20 Fällen doch einem statistischen Schwankungseffekt aufsitzt. Das kann für wissenschaftlich fragwürdige Zwecke ausgenutzt werden. Zum Beispiel untersucht man, ob dunkle Schokolade „gesund“ ist und misst 30 verschiedene Blutwerte. Rein statistisch ist dann die Wahrscheinlichkeit groß, einen Wert zu entdecken, der rein zufällig bei den Schokoladeessern positive Effekte aufweist.

Schon aus diesem Grund muss ein Zusammenhang oft mehrmals untersucht und sehr gut dokumentiert sein, damit er in der Ernährungswissenschaft als gesichert gelten kann. Windige Zeitschriften, die Studien vor der Veröffentlichung nicht ausreichend prüfen, erschweren das Problem noch zusätzlich.

Gesunde Frühstücks-Joghurt-Bowl mit Früchten

Was sind Superfoods

Als Superfood werden Nahrungsmittel bezeichnet, die einen besonders hohen Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe aufweisen. Diesen Substanzen werden gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt. Dazu gehören vor allem Vitamine (besonders häufig Vit B und C), Spurenelemente (z. B. Selen, Vanadium), Mineralien, essentielle Fettsäuren und Antioxidantien wie Flavonoide oder Anthocyane. Daran ist grundsätzlich nichts verkehrt: Für die normale Funktion unseres Stoffwechsels und Immunsystems benötigt der Körper eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffe. Die lebenserhaltende Funktion bestimmter Vitamine wurde im 19. und 20. Jahrhundert vor allem durch die Untersuchung von Mangelerkrankungen entdeckt. Dies sind reale Effekte durch die Unterversorgung mit lebenswichtigen Stoffen vor allem durch einseitige Ernährung oder Mangelernährung. Niemand bezweifelt also, dass unser Essen im Durchschnitt einen gewissen Gehalt dieser Nährstoffe mitbringen muss, um uns gesund zu erhalten.
Oftmals handelt es sich bei Superfoods um exotische oder besonders teure Lebensmittel, deren Preis unter anderem durch die hohe Konzentration erwünschter Inhaltsstoffe gerechtfertigt wird. Dabei handelt es sich um einen Marketingbegriff. In der Ernährungswissenschaft haben derartige Superlative keinen Platz. Hier ein paar prominente Beispiele:

Heidelbeeren:

Die beliebten und bekannten Blaubeeren lassen sich nicht nur im Wald aufsammeln, sondern auch kommerziell in großem Umfang anbauen. Besonders wertvoll wird die Frucht in den Augen der Vermarkter durch den hohen Anthocyananteil (blauer Farbstoff), der antioxidative Wirkung entfalten kann. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche Vorteile versprochen, z. B. Krebsvorbeugung im Dickdarm. Auch die Behauptung, dass Heidelbeeren Gedächtnisschwund und andere Alterungsprozesse verlangsamen oder sogar umkehren können, wurde mehrfach geäußert und auch in Studien untersucht.

Superfood Heidelbeeren

Gojibeeren

Der Gemeine Bocksdorn und der Chinesische Bocksdorn sind Sträucher, die etwa 2 bis 4 Meter Wuchshöhe erreichen. Sie produzieren orange-rote eiförmige Beeren von 5 bis 20 mm Länge. Ursprünglich wahrscheinlich in einer breiten Region von Südeuropa bis China beheimatet haben sich die Pflanzen durch Anbau und Verschleppung bis nach Westeuropa und Afrika, Nordamerika und Australien ausgebreitet. Die Beeren werden traditionell zum Kochen aber auch in der chinesischen Volksmedizin verwendet. An interessanten Inhaltsstoffen sind vor allem Vitamin C und die Farbstoffe Zeaxanthin und Lutein enthalten. Diesen wird eine antioxidative Wirkung nachgesagt.

Açai-Beeren:

Dies ist die Frucht der sogenannten „Kohlpalme“, einem bis über 25 m hohen Gewächs mit zahlreichen Fruchtständen. Sie enthält erhöhte Konzentrationen an Vitamin C und A, sowie relativ viel Calcium und Eisen sowie Antioxidantien. Letztere sind wiederum der Aufhänger für die Vermarktung als „Superfood“, zum Beispiel auch in Energy Drinks. Diese Getränke mit meist sehr hohem Zuckergehalt sind unter Ernährungsexperten das genau Gegenteil von Superfood und werden eher als Ernährungsgefahr betrachtet, unabhängig davon, welche besonders vorteilhaft erscheinenden Stoffe noch zugesetzt werden.

Papaya:

Neben dem hohen Gehalt an Vitamin C bietet die Papaya auch ein proteolytisches Enzym, das Papain. Ähnlich wie andere Proteasen (zum Beispiel Bromelain aus der Ananas und Actinidain aus Kiwis und Mangos) wird behauptet, dass dieses Enzym im Darm aufgenommen wird, um im Blut besonders förderliche Eigenschaften z. B. bei der Unterstützung des Immunsystems oder beim Abnehmen zu entfalten. Der Stoff ist aber als Molekül deutlich zu groß, um in die Blutbahn resorbiert zu werden. Außerdem inaktiviert bereits die Magensäure des Menschen einen großen Teil des Enzyms.

Papaya in verschiedenen Formen

Kakao:

Die Kakaobohne enthält viele Flavonoide und das Xanthinalkaloid Theobromin und ist wegen ihres bitteren Geschmacks und der zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten z. B. als Süßspeise sehr beliebt. Theobromin wirkt leicht anregend auf Menschen, ist aber wahrscheinlich eher ein Giftstoff, der die Samen der Pflanze vor Fressfeinden schützen soll – Menschen sind eine Ausnahme mit erstaunlich hoher Toleranz für die Substanz. Die Flavonoide – man ahnt es bereits – wirken antioxidativ und sind damit für zahlreiche Versprechen nutzbar. Um sie in nutzbringender Menge aufzunehmen, müsste allerdings sehr viel Kakao konsumiert werden. In der gängigen Form als Süßspeise mit hohem Fett- und Zuckergehalt keine gute Idee.

Man sieht hier deutlich den Trend, besonders exotische Zutaten als Superfoods zu deklarieren. Sie haben keinen großen Anteil an der gewöhnlichen mitteleuropäischen Ernährungszusammensetzung und scheinen bei der Integration Vorteile zu bieten. Doch auch viele Lebensmittel, die bei uns als „alltäglich“ gelten, könnten aufgrund ihrer Inhaltsstoffe als heimische Superfoods bezeichnet werden.

Superfood unter der Lupe: Kurkuma

Kurkuma, auch gelber Ingwer oder Safranwurzel ist eine aus Südasien stammende Gewürzpflanze, die heute in fast allen tropischen Regionen der Erde kultiviert wird. Sie bildet kräftige zylindrische Rhizome, die wie Wurzeln unterhalb der Blätter wachsen. Das Innere dieser länglichen Knollen ist kräftig orange-gelb gefärbt. Frisch gerieben oder in getrockneter Pulverform eignet sich das aromatische Rhizom zum Würzen und Färben von Speisen und wird vor allem in der indischen, aber auch arabischen und afrikanischen Küche häufig eingesetzt. Es wird vorwiegend in herzhaften aber auch süßen Speisen verwendet. Dabei ist es deutlich preisgünstiger als das ebenfalls zum Färben verwendete Safranpulver.
Die Inhaltsstoffe des Pulvers sind neben Kohlenhydraten und Proteinen (Rhizome haben eine Speicherfunktion für die Pflanze) vor allem ätherische Öle (z. B. Turmeron, Germacron, Atlanton und Zingiberen) und der gelb-orange Farbstoff Curcumin mit den verwandten Stoffen Demethoxycurcurmin und Bisdemethoxycurcumin.

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Curcumin ist auch die Substanz, welcher hauptsächlich die Wirksamkeit des Kurcumas zugeschrieben wird. Schon in der indischen Volksmedizin Ayurveda erhält Kurkuma viel Aufmerksamkeit und wird bei zahlreichen Beschwerden verwendet. Hauptsächlich betrachtet die Wissenschaft heute eine antioxidative Wirkung, Entzündungshemmung und eine leichte schmerzlindernde Wirkung vor allem bei Gelenkbeschwerden (Arthrose). Dabei ist ein Hauptproblem die Übertragbarkeit von Wirkungen in Zellversuchen oder in-vitro-Studien auf den menschlichen Organismus.

Curcumin wird eher langsam vom Körper aufgenommen und unterliegt einem starken First-Pass-Effekt: Das heißt, dass ein Großteil des Stoffes, der vom Darm über die Pfortader zur Leber transportiert wird, in dieser von Abbauenzymen verändert und damit für die Ausscheidung vorbereitet wird. Dieser Effekt lässt sich zwar durch gleichzeitige Aufnahme des Piperins (Hauptbestandteil der ätherischen Öle des schwarzen Pfeffers) verlangsamen. Dies bedeutet aber auch, dass zum Beispiel Wirkstoffe aus Medikamenten langsamer verstoffwechselt werden und sich damit deren aktive Dosis im Körper verändert. Aus diesem Grund sollten hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel mit Curcumin und Piperin möglichst nur in Rücksprache mit einem Arzt oder Apotheker eingenommen werden. Konsumenten sollten sich dabei an die empfohlene Dosierung halten und die Substanz beim Auftreten von Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen oder allergischen Reaktionen absetzen.

Die am besten belegte Wirkung des Kurkuma findet dann auch im Magen-Darm-Bereich statt: Hauptsächlich kann das Gewürz nämlich dazu dienen, Verdauungsbeschwerden bei schweren und fettigen Speisen zu verhindern.

Fazit: Brauchen wir Superfoods

Auch wenn sich dieser Artikel kritisch mit dem Phänomen Superfoods auseinandersetzt, soll er niemanden davon abbringen, diese Produkte in seiner Ernährung zu verwenden. Es handelt sich praktisch immer um wertvolle Lebensmittel, die in vernünftigen Mengen ohne Nebenwirkungen verzehrt werden können. Fragwürdig ist eher die Werbung, die manche Anbieter mit Nahrungsergänzungsmitteln, überteuerten Superfoods und dergleichen betreiben. Die verzerrte Wiedergabe des Stands der Wissenschaft trägt zu einer Fehlwahrnehmung in der Bevölkerung bei, dass Nahrungsmittel wie Medikamente zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden können. Dies gilt zwar für bestimmte Diätformen, allerdings geht es bei medizinisch indizierten Diäten praktisch immer um das Weglassen von Lebensmitteln, die bei Stoffwechselerkrankungen oder Unverträglichkeiten zu Problemen führen.

grüner Smoothie mit Spinat

Wichtig bleibt an erster Stelle eine ausgewogene Ernährung, die in ihrer Gesamtheit mit vielen frischen Zutaten und wenig künstlichem Zuckerzusatz den gesamten Bedarf des Menschen an Vitaminen und Mineralstoffen decken kann.

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